Depressiven Menschen fällt es meist schwer, sich mit anderen “auseinanderzusetzen”. Aus der Sorge, die Zuwendung von Bezugspersonen zu verlieren, schlucken einige lieber ihren Ärger.
Andere versuchen, diesen allenfalls indirekt auszudrücken. “Heilsamer” und das Selbstvertrauen stärkend ist es, wenn Sie Konflikte in konstruktiver Weise austragen. Dazu gehört, den Partner zu achten, ihn also nicht abzuwerten, und auf Killerphrasen zu verzichten (“Du hast doch keine Ahnung davon”). Kritik sollten Sie in einen persönlichen “Wunsch” kleiden. Spekulieren Sie nicht länger darüber, was andere wohl über Sie denken. Fragen Sie die Betreffenden lieber direkt!
Konkurrieren lernen
Wer unter einem geringen Selbstwertgefühl leidet, tut sich meist schwer, mit anderen zu konkurrieren (oft aufgrund von Verlierer-Erfahrungen in Kindheit und Jugend). Eifersucht und Neid sind weitere typische Begleiterscheinungen. Die Tendenz zu den genannten Gefühlen lässt sich vor allem durch “korrigierende Erfahrungen” verändern. Nutzen Sie daher Gelegenheiten, in denen Sie sich im gesunden Wettstreit mit anderen (auch erfolgreich!) erleben können. Akzeptieren Sie Misserfolge, ohne sich direkt wieder abzuwerten.
Sich gegen Ablehnung “immunisieren”
Wer unter Depressionen leidet, sieht sich in jeder vermeintlichen oder tatsächlichen Ablehnung darin bestätigt, nicht gemocht, also wenig wert zu sein. Dabei beinhaltet nicht jedes “nein” ein Werturteil über einen anderen Menschen.
Immunisieren Sie Ihr Selbstwertgefühl gegen die beschriebene Bedrohung. Beispielsübungen, mit denen Sie erfolgreich “Ablehnung” provozieren können: Versuchen Sie, in Geschäften Preise herunterzuhandeln. Fragen Sie ein Paar, ob Sie sich zu diesem als Einzelperson an den Tisch setzen können. Setzen Sie sich in einem Restaurant oder Verkehrsmittel auf einen reservierten Platz. Versuchen Sie, besonders abweisend wirkende Menschen in ein Gespräch zu verwickeln. Bitten Sie einen Fremden, Ihnen Kleingeld zum Telefonieren zu schenken oder Ihnen einen kleinen Gefallen zu erweisen.
Selbstsicherheit trainieren
Depressive Menschen können sich häufig nur schlecht durchsetzen und sind “aggressionsgehemmt”. Leider wenden sie Ihre Aggressionen zudem oft gegen sich selbst, was bis zu Suizidversuchen führen kann.
Hier hilft oft ein Selbstsicherheitstraining in der Gruppe weiter. Dabei lernen die Betroffenen, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen, angemessen zu äußern und konstruktiv dafür einzutreten. Außerdem übt man in solchen Gruppen, wie man zu anderen Kontakt aufnimmt, Kontakte gestaltet und aufrechterhält. Wichtige Stichworte sind: “Nein” sagen und Kritik äußern können, Verantwortung für eigene Wünsche übernehmen, statt abzuwarten, dass andere diese erkennen und erfüllen. Entsprechende Kurse bieten Volkshochschulen und Familienbildungsstätten an.
Wertschätzen üben
Depressive Menschen neigen dazu, vieles abzuwerten, leider auch sich selbst (“Das war doch nichts”, “Das kann doch jeder”, “Das ist noch nicht genug”, “Da fehlt noch…”). Wenn etwas zu 50 Prozent vorhanden ist, klagen sie eher über die bereits fehlende Hälfte, als sich über den (noch) vorhandenen Teil zu freuen.
Trainieren Sie sich daher im “Wertschätzen”. Werfen Sie jedes Mal 5 Euro in ein Sparschwein, wenn Ihnen eine Selbstabwertung über die Zunge rutscht. Machen Sie mit dem Inhalt des Sparschweins demjenigen ein Geschenk, den Sie am häufigsten abgewertet haben. Das werden möglicherweise Sie selbst sein! Außerdem: Machen Sie es sich zur Gewohnheit, sich vor dem Schlafengehen wenigstens ein Kompliment zu gönnen, das sich auf den zurückliegenden Tag bezieht.
Rechnen Sie es nicht gegen das auf, was noch nicht so gut geklappt hat!
Anerkennen Sie Ihre Erfolge selbst! Sie müssen nicht alles gut gemacht haben. Kein Mensch macht immer alles “gut” und “richtig”! Gehen Sie barmherzig mit sich um. Gestatten Sie sich Fehler, vor allem wenn Sie bereit sind, daraus zu lernen. Sie müssen nicht perfekt sein! Nehmen Sie diese Haltung auch gegenüber Ihren Mitmenschen ein. Diese geben meistens auch Ihr Bestes (was depressiven Menschen leider oft nicht ausreicht).
Wertschätzung einfordern
Zeigen Sie anderen, dass Sie etwas wert sind und entsprechend geachtet werden wollen! Zwei bewährte Wege stehen Ihnen dazu offen: Wünsche äußern und Grenzen setzen.
- Bitten Sie beispielsweise um eine Gehaltserhöhung.
- Teilen Sie Nachbarn Ihren Wunsch nach Ruhe mit, wenn es Ihnen zu laut zugeht.
- Fordern Sie Ihren Partner zu mehr Mitarbeit im häuslichen Bereich auf.
- Bitten Sie Bekannte darum, etwas für Sie einzukaufen.
- Fordern Sie im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis, was Sie sich bislang nicht trauten.
- Beschweren Sie sich im Restaurant über Mängel an Speisen und Getränken.
- Tauschen Sie fehlerhafte Ware um.
- Bestehen Sie darauf, den Vorgesetzten zu sprechen, wenn ein Angestellter unwillig wirkt.
- Lehnen Sie Ansprüche und Erwartungen anderer ab, die Sie nicht erfüllen können oder wollen (insbesondere unangemessene und zu umfangreiche Arbeit).
Vielleicht fällt Ihnen ein “nein” leichter, wenn Sie es begründen, gleichzeitig das Anliegen des Bittenden wertschätzen und für das in Ihre Person gesetzte Vertrauen danken. Beenden Sie aktiv Gespräche (z. B.Telefonate), die Sie sonst nur aus Höflichkeit fortführen würden. Weisen Sie unsachliche Kritik, einen herablassenden Ton und ungeduldige Unterbrechungen strikt zurück. Zeigen Sie Ruhestörern und Vordränglern Schranken auf. Weichen Sie nicht aus, wenn Ihnen jemand entgegenkommt. Gehen Sie als erster durch Türen (z. B. beim Betreten und Verlassen eines Fahrstuhls).
Auf Vergleiche verzichten
Viele Depressive halten durch häufiges Vergleichen ihre Unzufriedenheit am Leben. Man findet fast immer Menschen, die erfolgreicher, attraktiver und sorgloser als man selbst sind. Aber hilft Ihnen ein solches Wissen wirklich weiter, zumal es auf Ihrer ganz persönlichen Bewertung beruht und daher auch unpassend sein kann? Solange Sie sich mit anderen vergleichen, verstellen Sie sich den Blick auf sich selbst. Welche Fähigkeiten haben Sie bereits? Welche müssen Sie noch entwickeln?
Das gilt es herauszufinden und nicht, ob anderen Menschen das Leben – scheinbar – besser gelingt. Setzen Sie dabei Ihre Maßstäbe nicht zu hoch. Fangen Sie an, auf das stolz zu sein, was schon vorhanden ist und Sie bereits einzigartig macht.
Kontaktnetz erweitern
Ein geringes Selbstwertgefühl geht oft mit dem Gefühl von Einsamkeit einher. Tatsache ist, dass die Betroffenen in aller Regel eher wenige “wirkliche” Freunde haben (dagegen oft viele Bekannte, für die sie sich einsetzen). Ein Netz guter Freunde drückt sehr viel Wertschätzung aus und ist daher nur schwer mit einem schlechten Selbstwertgefühl vereinbar.
Nutzen Sie diesen Zusammenhang, indem Sie bewusst und gezielt Ihr Kontaktnetz erweitern. Dazu gibt es unzählige Möglichkeiten: Reaktivieren Sie frühere Bekanntschaften, schließen Sie sich einem Sportverein an, besuchen Sie Themen-Veranstaltungen, wo Sie Gleichgesinnte erwarten können, geben Sie eine Kontaktanzeige auf oder nutzen Sie die vielfältigen Möglichkeiten des Internets.
Selbstbewusstsein druckfrei entwickeln
Ein schwaches Selbstwertgefühl hat immer auch mit der “Persönlichkeit” zu tun und diese lässt sich bekanntlich nicht schlagartig verändern. Gönnen Sie sich also ausreichend Zeit, Ihr Selbstwertgefühl mit Hilfe der beschriebenen Wege wachsen zu lassen. Setzen Sie sich auf keinen Fall unter Druck!
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